Lehren aus dem Mittelalter für unsere Gesundheit heute

 

Heute möchte ich Sie auf eine kurze Reise ins Mittelalter mitnehmen. Da unsere Vorfahren sehr viel weniger Möglichkeiten der Therapie hatten, dachten sie wesentlich mehr über Prävention nach. „Ars regimen sanitatis“ – die Kunst, seine Gesundheit zu erhalten war im Mittelalter eine eigene Literaturgattung, die ihre Wurzeln in der Antike hat und bis in die frühe Neuzeit verbreitet war. Hierin wurden all die Maßnahmen beschrieben, die im Sinne einer geregelten Lebensweise zur körperlichen und auch seelischen Gesunderhaltung und Heilung beitragen sollten.

 

 

 

In scholastischer Manier wurden Grunddimensionen des Lebens definiert. Es wurden Empfehlungen gegeben für Speis und Trank, für Bewegung und Entspannung, die körperliche Hygiene und den Bezug zur Umwelt. Wussten die Ärzte des Mittelalters doch auch schon, wie wichtig gesunde Luft, gutes Wasser und eine angenehme Umgebung sind. Aber auch die Dimension des Seelischen und der Gefühlssteuerung wurde ausführlich bedacht. Die psychosomatischen Krankheitskreise sind nicht erst eine Entdeckung des 20. Jahrhunderts.

 

 

 

Die Erhaltung der Gesundheit war eine Kunst. Es ging darum, immer wieder die Bedürfnisse des Leibes, der Seele und der Umwelt miteinander in Einklang zu bringen und Ungleichgewichte je nach Lebenslage auszutarieren. Kunst hat immer mit Bildung zu tun, und damit sind wir beim Thema der Gegenwart.

 

 

 

Heute sind die Lebensbedingungen grundverschieden von denen des Mittelalters. Gleichwohl bleibt die Gesundheit, die Pflege des Körpers, der Umgang mit der Seele und die Anpassung an die äußeren Lebensanforderungen eine Kunst, die erlernt, geübt, einstudiert, erobert werden muss.

 

 

 

Heute besteht die Herausforderung nicht in der Bewältigung des Mangels. Nein, es ist das genaue Gegenteil: wir müssen lernen mit dem Überfluss umzugehen. Bis weit in das 19. Jahrhundert hinein litten die Menschen Hunger und sie mussten körperlich hart arbeiten. Heute haben wir ein Überangebot an Nahrungsmitteln und viel zu wenig Bewegung. Der Nutzen von Bewegung für den Menschen ist in der Medizin vielfach bewiesen. Bewegungsmangel ist die Haupttodesursache, lassen sich durch Bewegung doch viele Krankheiten vermeiden oder lindern.

 

Die Menschen sind von ihrer Prägung und Tradition auf diese neuen Herausforderungen nicht vorbereitet. Sie müssen lernen, damit umzugehen. Wir können uns nicht mehr an den alten Traditionen und Rezepten eines gelingenden Lebens orientieren – denn dann werden wir bei den heutigen Lebensbedingungen dick, fett und passiv. Zuviel Butter ist einfach ungesund. Wir müssen neue Haltungen, neue innere Leitbilder und Gewohnheiten für ein „gutes“ Leben entwickeln. Es gilt je nach Situation ein Gefühl für das rechte Maß zu finden. Dabei haben wir so viele Informationen und Optionen, dass uns manchmal ganz schwindlig wird. Ständig wechselnde ungewisse Situationen verlangen in jeder Lebensphase angemessene Orientierungen und Entscheidungen. Dazu gehört Methodenwissen. Auch das ist heute Bildung.

 

 

 

Es gilt, die Faktoren kennen zu lernen und herauszufinden, die heute den Menschen helfen in einem umfassenden Sinne gesund zu bleiben. Dazu gehört viel mehr als nur „gut“ zu essen und seinen Körper zu stählen. Auch heute gehört dazu die Seele, das Gefühlsleben, die Dimension des Sinns und damit der Spiritualität. Es gehört dazu die Dimension des Sozialen, der Gemeinschaft, des guten Miteinanders – all dies Faktoren, die in ihrer Gesamtheit zur Gesundheit beitragen und die der Bildung bedürfen. Es ist ein lebenslanger Prozess, das jeweils verfügbare Lebenspotential durch zielgerichtete Aktivitäten zu erschließen und Spannungen zu regulieren.